Beliebte Tags
Schlagwörter

27. Januar – Erinnerung als Pflicht, Mahnung und Verantwortung

27. Januar – Erinnerung als Pflicht, Mahnung und Verantwortung

Der 27. Januar, der Tag der Befreiung von Auschwitz, ist mehr als ein historischer Gedenktag. Er ist eine unverrückbare Mahnung an uns alle, die Lehren aus den Abgründen der deutschen Geschichte nicht nur zu bewahren, sondern aktiv in unser Handeln einzubetten.

Wir gedenken der Opfer des Holocaust: der Millionen ermordeten europäischen Jüdinnen und Juden, der Sinti und Roma, der Menschen mit Behinderungen, der politischen Gegner:innen, der Homosexuellen sowie weiterer aus rassistischen, religiösen oder ideologischen Gründen Verfolgter. Doch Erinnerung allein genügt nicht. Wir müssen uns fragen: Welche Verantwortung tragen wir heute – als Gesellschaft, als Individuen, als Demokrat:innen?

Görlitz: Ein Ort des Erinnerns und Mahnens

Wie viele deutsche Städte war auch Görlitz einst ein Zuhause für jüdisches Leben, bis Entrechtung, Verfolgung und Mord diese Gemeinschaft auslöschten. Die Deutschen zerstörten während der Novemberpogrome 1938 Geschäfte, Synagogen und Existenzen, niemand schritt ein.

Nicht weit von hier lag das Kriegsgefangenenlager Stalag VIII A, in dem zehntausende Soldaten gefangen gehalten wurden und unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Ihre Namen sind oft vergessen, ihre Geschichten kaum erzählt. Doch sie mahnen uns nicht nur, sondern appellieren daran, Verantwortung für Gegenwart und Zukunft zu übernehmen.

Gedenken als Auftrag: Wann wird man je verstehen?

Der Blick in die Vergangenheit darf kein losgelöster Gedanke sein – wir müssen ihn mit der Gegenwart verknüpfen. Wenn wir heute der Opfer des Nationalsozialismus gedenken, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, was Krieg, Entrechtung und Unterdrückung in unserer heutigen Welt bedeuten. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigt uns auf erschreckende Weise, dass die Lektionen der Geschichte nicht universell beherzigt wurden. Wieder werden Menschen ermordet, verschleppt, gefoltert. Wieder gibt es Kriegsgefangene, die misshandelt und ihrer Rechte beraubt werden. Die Angriffe auf zivile Infrastruktur, die Verschleppung ukrainischer Kinder und die Verfolgung Andersdenkender erinnern an dunkle Kapitel europäischer Geschichte.

Unsere Verantwortung heute

Gerade in Zeiten, in denen Krieg wieder auf europäischen Boden zur Realität geworden ist, müssen wir aus der Vergangenheit lernen. Gedenken ist kein Rückblick, sondern ein Auftrag. Es erfordert, sich aktiv gegen Krieg, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen zu positionieren. Der 27. Januar erinnert uns daran, dass Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeit sind – sie müssen verteidigt werden. So mahnte Renate Aris, eine Holocaustüberlebende, die am 27.01.2025 am Wilhelmsplatz zu uns Görlitzer:innen gesprochen hat, dass wir die Verantwortung tragen, das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus lebendig zu halten und uns für eine Welt einsetzen müssen, in der Rassismus, Intoleranz und Gewalt keinen Platz haben. Ihre Worte mahnen uns eindringlich, jeden Tag aufs Neue für den Erhalt von Demokratie und Menschlichkeit einzutreten. Ganz besonders aber sollten wir die Populisten im Blick halten, die Anklang, so Aris, in allen gesellschaftlichen Schichten finden. Von denen ginge die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland aus.

Das Gift der Verharmlosung – Gefahr von Rechts

Wer Auschwitz ernst nimmt, kann nicht schweigen, wenn rechte Ideologien weiter an Boden gewinnen. Nationalismus, Hass und völkische Parolen dringen erneut in die Gesellschaft ein, oft verkleidet als „legitime Sorgen“ oder „Kritik am System“. Ein beunruhigendes Beispiel war gestern im Bundestag zu beobachten: Ein Antrag der CDU wurde mit Stimmen der AfD beschlossen. Diese Zusammenarbeit mit einer Partei, die antisemitische, rassistische und geschichtsrevisionistische Strömungen in sich trägt, zeigt, wie gefährlich diese Entwicklung ist. Es ist eine politische Bankrotterklärung, wenn demokratische Parteien den Schulterschluss mit denen suchen, die unsere Erinnerungskultur infrage stellen und das „Nie wieder“ inhaltsleer machen wollen.

Erinnern bedeutet Handeln

Der 27. Januar ist keine Pflichtübung. Er ist ein Spiegel, in dem wir uns fragen müssen: Was sehen wir? Eine Gesellschaft, die aus der Vergangenheit gelernt hat? Erinnern erfordert Haltung. Es bedeutet, Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit nicht zu dulden – in der Politik, im Alltag, in den sozialen Medien. Die Gefahren unserer Zeit sind nicht mehr bloß „Anfänge“ – der Hass marschiert bereits. Und es liegt an uns, ihm entgegenzutreten.

Mateusz Kowalinski

Für den MMM