11 Nov 20 Zdzisław Nardelli
Der Text beschreibt den Aufenthalt von Zdzisław Nardelli als Gefangenen des Lagers Stalag VIII A. Sein Leben während des Krieges ist geprägt von einer Zeit des Kampfes um die Bewahrung seiner Identität unter sehr schwierigen Lagerbedingungen, einer Zeit außergewöhnlicher kultureller Entwicklung und wunderbaren Initiativen.
Zdzisław Nardelli wurde am am 20. Mai 1940 aus dem Lager Stalag VIII C Sagan (Żagań) in das Lager Stalag VIII A verlegt.
Die Geschichte über das Leben im Lager kann man in dem autobiographischen Roman unter dem Titel „Otchłań ptaków“ (dt. Der Abgrund der Vögel) finden.
Nardellis Erzählung ist lebendig, detailliert, voller Dialoge und Namen. Sie beschreibt mehr die Beziehungen zwischen den Gefangenen und ist weniger eine Bewertung der Haft selbst. Außerdem drückt die Erzählung nicht direkt die Meinung des Autors aus, sondern stellt eine wertvolle Quelle des Wissens über diese Ereignisse dar.
„Im Frühling begann sich das Lager zu füllen. Die Transporte der Niederländer, Belgier und schließlich der Franzosen kamen. Schreie erreichten sogar die polnische Baracke. Die Deutschen besetzten ganz Europa. Hoffnungen wurden enttäuscht. Kriegsgefangene liefen im Lager umher. Enge Pfade bestimmten die Bewegungsrichtung. Diese Wege wurden immer dichter und um eine zentral gelegene Küche herum verschlungen. Es stank nach Aas und vergorenen Kartoffeln. Süßer Geruch von gekochten Rüben schwebte in der Luft. In der Dichte dieser Dämpfe standen Betonbehälter, in die Knochenreste geworfen wurden. Wolken von Fliegen schwebten über den Köpfen der Hungrigen. Sie nahmen gekochte Pferdeknochen heraus, bissen Sehnenreste ab, bissen Knorpel, saugten Knochenmark aus. Sie kämpften um diese Knochen, rissen sie sich gegenseitig aus den Händen.“
Bevor Gefangene aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich ins Lager gebracht wurden, waren dort praktisch nur Polen inhaftiert. Sie hatten das Privileg, die Lagerbibliothek zu benutzen. Wegen der überwältigenden Mehrheit wurde sie „Polnische Bibliothek“ genannt, doch man sollte bedenken, dass sie vor allem deutsche und französische Bücher enthielt.
„Sienkiewicz nur auf Deutsch. „Ohne Dogma“. Sie werden nichts finden, was Ihr Herz tröstet.“
Nardelli erhielt die Aufgabe, die Bibliothek zu leiten, in der sich das intellektuelle Leben des Lagers konzentrierte und wichtige Bekanntschaften geschlossen wurden.
„- Gibt es hier etwas Interessantes?
– Überzeuge dich selbst.
In den Kisten überwogen deutsche Bücher, vor allem Alben. Großformate aus der September-Kampagne, mit Fotos eines massakrierten Landes, eines brennenden Polens, grausam gestellte Fotos. Eine Menge Noten“.
Nardelli erwähnt weiterhin die Anfänge seiner Bekanntschaft mit dem französischen Komponisten Olivier Messiaen. Er beschrieb ihn als Einzelgänger, der die Stille sucht, und hob besonders seine Frömmigkeit und Konzentration hervor.
Nardelli wurde als Bibliotheksleiter von französischen Kriegsgefangenen gebeten, sich um Messiaen zu kümmern. Er beschloss, den Musiker als Bibliotheksassistenten einzustellen.
Was Nardelli aber am meisten interessierte, war Messiaens Schaffen. Der Kontakt mit Messiaen war eine Inspiration für die großartige Initiative, die sich als „Polnischer Abend“ erwies, d.h. ein Abend, an dem Nardellis Gedichte zusammen mit Fragmenten von Messiaens Werk „Quartett für das Ende der Zeit“ präsentiert wurden, an dem er im Schutzraum der Bibliothek arbeitete. Die Vorführung fand Mitte Dezember 1940 statt.
Der zweite Name dieser Veranstaltung lautet, wie einer der Titel von Nardellis Gedichten „Otchłań ptaków“ (dt. Der Abgrund der Vögel).
Es ist erwähnenswert, dass Nardellis Gedichte von einem der Gefangenen, Jan Sokal ins Französische, für Messiaen übersetzt wurden, damit er sie lesen konnte. Eine besonders interessante Tatsache ist, dass Messiaen einen Teil des Quartetts „L´Abime des oiseaux” nannte (Der Abgrund der Vögel).
„Der Abend war eines der interessantesten Treffen, die auf dem Lagergelände stattfanden. Oberleutnant Bull beschrieb das Konzert als erschütternd und einzigartig. Oliviers Musik war schwierig und passte fesselnd zur Poesie des polnischen Dichters. Piskorz trug langsam und ausdrücklich vor inspiriert von der Schönheit der ihm bisher unbekannten Entdeckungen, der unbestimmten Möglichkeit der Klänge. Kiedroń hörte fasziniert zu.“
Die Vorpremiere des „Quartetts für das Ende der Zeit” war die Grundlage für die Organisation einer weiteren Veranstaltung am 15. Januar 1941, wo das ganze Quartett aufgeführt wurde. In der Lagerzeitung „Le Lumignon“ wurde die Entstehung eines Meisterwerks verkündet.
Die Zeit der Inhaftierung war zweifellos eine Zeit des Leidens, womit die Gefangenen auf verschiedenerlei Weise umgingen. Während seines Aufenthalts im Stalag notiert Nardelli ein Beispiel für intellektuellen Spaß.
„Kennen Sie, Herr Sorbet, einen hervorragenden polnischen Schriftsteller? Den Autodidakten, einen Holzfäller aus dem litauischen Urwald: Czesław Pipol? Er war ein großer symbolistischer Dichter, Verlaineas Altersgenosse – fragte er ernsthaft.
Anlässlich des Jubiläums unseres Meisters möchte ich einen Vortrag für die Franzosen halten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sich so ein hervorragender Experte wie Sie an der Diskussion beteiligen würde.“
In einem bis zum Rand gefüllten Raum hielt er einen ironischen Vortrag, in dem er die polnisch-französischen Kontakte im Stalag stärkte. Aus den Aufzeichnungen geht jedoch hervor, dass es sich um einen völlig fiktiven Charakter handelte.
Es sollte erwähnt werden, dass die Ereignisse eine Reaktion auf die Propaganda-Vorträge waren, die für die Gefangenen im Stalag VIII A organisiert wurden und die auch Nardelli in seinem Roman erwähnte.
„Das Treffen begann mit der Vorführung von Filmen. Eine Massengymnastik während des Parteitages. Die Übertragung dieses Ameisenkampfes dauerte ewig. Später Szenen aus französischen Dörfern. Aspirant Krebs hat den Raum zum Schweigen gebracht. Er begann einen Vortrag. Er sprach über die deutsche Minderheit, ihr Recht auf Vereinigung. Der Vortrag war voller Mystik, Floskeln über befreite Würde, den Kult des Willens, den Wert der Rasse.“
Am 29. Januar 1941 begann für Nardelli eine neue Etappe im Leben eines Kriegsgefangenen. Es war der Tag, an dem alle Polen von Görlitz weiter ins Landesinnere Deutschlands transportiert wurden. Messiaen wurde bald aus dem Lager entlassen, Nardellis Gefangenschaft allerdings, dauerte bis zum Ende des Krieges an.
Literaturverzeichnis:
1. Zdzislaw Nardelli : Otchłań ptaków. Wydawnictwo Śląsk. Katowice 1989
2. Jerzy Stankiewicz: Olivier Messiaen. Człowiek i artysta w Stalagu VIII A w Gorlitz. Fundacja Centrum Wspierania Przedsiębiorczości Zgorzelec 2014
3. Jerzy Stankiewicz : Świetosław Krawczynski i Olivier Messiaen, Pamiętne spotkanie w Stalagu VIII A w Görlitz. Palestra Świętokrzyska. Pismo świętokrzyskiej izby adwokackiej w Kielcach.
4. Zdzisław Nardelli w : portal porta-polonica.de